Digitalisierung & Psychiatrie

Die Digitalisierung ist auch in der Sozialpsychiatrie angekommen. Wir berichten über den Wandel, möchten Ihre Meinung wissen und verlosen unter den Einsendern einen Polaroid-ZIP Handydrucker. Nehmen Sie an unserer Befragung teil - das Formular können Sie am Ende des Artikels herunterladen.

Noch vor 10 Jahren teilten sich mehrere Sozialarbeiter einen Computer. Ihre Daten speicherten sie auf der lokalen Festplatte, der Datenaustausch wurde hauptsächlich auf dem Briefweg durchgeführt. Die technikbasierte Kommunikation mit Kunden fand über Festnetztelefon- und Anrufbeantworter statt.

Das hat sich geändert. Informationen werden mit Ämtern, Leistungsträgern und teilweise mit Klienten über Mail, Website und Smartphone ausgetauscht. Daten werden auf Server gespeichert und gesichert. IT-Administratoren und Helpdesk installieren und  unterstützen heute via Internet.

Vernetzte Softwarelösungen, Onlineberatung, Internetforen und Social-Media sind die Zukunft. Soziale Institutionen haben ihre IT-Anlagen modernisiert und stehen mit der Entwicklung von  Softwareplattformen und Online-Angeboten für ihre Kunden vor neuen Herausforderungen.

Fortschritt in der Informationstechnologie

Der technische Fortschritt mit Internetkommunikation, Softwareprogrammen, Mobilanwendungen und Social-Media hält im  21. Jahrhundert in der Sozialbranche Einzug. Für Sozialarbeiter, Psychologen, Soziologen und Pflegefachkräfte keine leichte Kost. Sehen sie doch ihre primäre Aufgabe darin, mit Klienten zu arbeiten und wirksame Hilfen für deren Alltagsbewältigung zu entwickeln.

Heute müssen sie zusätzlich eine mediale Informationsflut bewältigen, geleistete Arbeit dokumentieren und in ein virtuelles Ordnersystem ablegen.  Auch sind Nachweispflicht für Auftraggeber und damit verbunden die Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit gestiegen. In der Informationstechnologie (IT) wird Manpower benötigt, Investitionen in Hard- und Software kosten Geld. Die erforderlichen Mittel müssen von den Mitarbeitern erwirtschaftet werden. Das ist nicht immer leicht zu vermitteln. 

Sozialbetriebe können sich jedoch dem technischen Wandel nicht entziehen. Informationen und Angebote müssen im Zeitalter von Inklusion und Teilhaberecht den berechtigten Personen im Hilfenetzwerk und auch Menschen mit psychischen Erkrankungen zur Verfügung stehen.

Geändert haben sich auch die Auftraggeber. Noch vor 15 Jahren hat die Behindertenhilfe fast ausschließlich Eingliederungshilfen nach dem Sozialgesetzbuch SGB XII erbracht. Heute sind Krankenkassen für integrierte Gesundheitsleistungen Auftraggeber. Die Integration in den Arbeitsmarkt mit Beratungsleistungen und Integrationsfirmen wird von der Agentur für Arbeit und den Jobcentern beauftragt. Hinzu kommen Leistungen für  Rehabilitation und Teilhabe. 

Die Sozialunternehmen haben modernisiert

LEBENSRÄUME hat den ersten Schritt gemacht. Vorbei ist die Zeit, als IT-Fachleute täglich unterwegs waren und Mitarbeiter bei Anwenderfragen unterstützten und technische Probleme behoben.

Heute wird diese Arbeit zentral gesteuert. Die IT hat einen Helpdesk eingerichtet, über gesicherte VPN-Verbindungen kann die Verbindung zum Rechner hergestellt, per Fernwartung können am Bildschirm Anwenderfragen geklärt werden. Von jedem Arbeitsplatz im Unternehmen können die Mitarbeiter auf die Betreuten-Akte zugreifen. Ein ausgeklügeltes Rechtesystem stellt dabei sicher, dass jeder nur Zugriff auf Daten von Klienten bekommt, die unter seiner Betreuung stehen. Programminstallation und Updates werden zentral durchgeführt. Die Mitarbeiter sind mit Computern ausgestattet und Server der Stiftung LEBENSRÄUME stehen in einem externen Rechenzentrum. Über die Website ist zu Angeboten die Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Mitarbeiter per Mail möglich. 

LEBENSRÄUME hat ihre IT zukunftsfähig umgestellt und damit die Grundlagen für einen vernetzten Datenaustausch geschaffen. Die Mitarbeiter schätzen das ausfallsichere Arbeiten, der Helpdesk mit Fernwartung gehört zur Normalität. 

Zahlen und Fakten

Wie steht es mit dem Engagement der sozialen Organisationen im Bereich Informationstechnologie? Wie hoch sind die Investitionskosten und wie sind die Mitarbeiter ausgestattet? 

Längst werden in der Sozialarbeit Computer eingesetzt. Die Branche hat in den letzten Jahren mächtig aufgeholt und setzt einen festgelegten Teil ihrer Einnahmen für Computertechnik ein. Zugleich kann sie noch nicht zufriedenstellend abbilden, was die integrierte Betreuung der Menschen und die betriebliche Wirtschaft benötigen. Um den Ist-Zustand aufzuzeigen, lohnt ein Blick in den aktuellen IT-Report für die Sozialwirtschaft (Prof. Helmut Kreidenweis, Prof. Dr. Dietmar Wolff, 2016). Im dreijährigen Zyklus werden soziale Institutionen zu Hard- und Softwareausstattung befragt. 

Die Branche hat Entwicklungsbedarf

Nach Einschätzung von LEBENSRÄUME fehlen einrichtungsübergreifende Softwareprogramme, mit denen Information, Kommunikation, Dokumentation und Evaluation einheitlich und Trägerübergreifend ausgetauscht werden können. Zu viele Dokumente und Daten müssen aufwändig aus Excel- und Word-Dateien in Berichte und Formulare kopiert werden, als zu hoch wird von den Mitarbeitern der Arbeitsaufwand empfunden. Die im Unternehmen erfassten Daten und erbrachten Leistungen können noch nicht mit einer gemeinsamen Plattform abbildet werden. 

LEBENSRÄUME nutzt Einzellösungen, die sie für die Bereiche Antragswesen, Terminplanung und Abrechnung einrichtungsübergreifend einsetzen (Integrationsfachdienst, Integrierte Versorgung). Dabei ist der Sozialbetrieb mit seinen IT-Strukturen durchaus in der Lage, eine unternehmensübergreifende Plattform für alle Prozesse zu betreiben. Es gibt jedoch noch kein das  Leistungsrecht und die Einrichtungen übergreifende auf den Menschen bezogene fachliche Definition sozialer Dienste – individuell und personenzentriert. Und was noch nicht vorhanden ist, kann keine Software abbilden. LEBENSRÄUME befindet sich mit der Softwareentwicklung in der Frühphase.  

Eine zusätzliche Herausforderung stellen für die IT der Datenschutz und die Datensicherheit dar. Personenbezogene Daten müssen geschützt, die Weitergabe an Dritte innerhalb des Betreuungs- und Behandlungsprozesses nach strengen Zugriffsrechten geregelt werden. Die Kunden sind heute kritischer, der Datenmissbrauch ist auf dem Vormarsch. Die IT muss nach den gesetzlichen Vorgaben bewerten, wer Informationen einsehen und bearbeiten darf und wer nicht. 

Neue Medien und Online-Beratung

Die junge Generation nutzt heute überwiegend Mobilanwendungen mit Smartphones und Tablets. In S-Bahn, Cafés und Warteraum werden Dienstleistungen und Produkte online über Websites und Facebook gesucht, Informationen ausgetauscht, Inhalte geteilt. Dafür sind nutzerfreundliche Oberflächen und eine kompakte Darstellung von Informationen und Leistungen Voraussetzung.

Internetdienste halten auch im Gesundheitsbereich Einzug. Die TK bietet mit einem internetbasierten Beratungs- und Trainingsprogramm einen Depressionscoach zur Linderung von depressiven Symptomen. Versicherte können sich mit Benutzernamen und Kennwort in ein geschütztes das Portal einloggen und ein angeleitetes Programm mit Video- und Audioelementen und Unterstützung eines Psychologen nutzen.

Die Robert-Enke-Stiftung stellt einen online-Depressionstest und eine Telefon-Hotline bei Depressionen bereit. Die neue EnkeApp für Smartphones bietet mit einem „Moodtracker“ einen Stimmungstest über Tage und Wochen an. Unter dem Motto „Robert konnten wir nicht retten. Dich schon“ können Suizidgefährdete mit einem Notruf-Button in letzter Sekunde Kontakt zu einer ärztlichen Beratungshotline herstellen.

Onlinedienste werden auch von den kirchlichen Trägern zu rund 15 Themen mit Mail und Chat-Beratung angeboten. Das PsychiatrieNetz bietet das SeeleFon, eine E-Mail-Adresse und umfassende Informationen zu Krankheitsbildern und Behandlungsmöglichkeiten. Auch gibt es diverse Kompetenznetze.

Ihre Meinung interessiert uns

Machen Sie mit bei unserer Befragung. Welche Medien nutzen Sie und welche möchten sie in Zukunft nutzen? Wir verlosen unter den Einsendern einen Polaroid-ZIP-Handydrucker. Klicken Sie hier.

Der Artikel wurde in der Zeitschrift "Treffpunkte" 3/2017 unter dem Titel "Digitalisierung in der Sozialpsychiatrie" veröffentlicht. Text: Johann Kneißl, www.allemunde.de

Den publizierten Artikel finden Sie hier.

Kontakt: Stiftung LEBENSRÄUME