Kunst im Treppenhaus

Francisco Alvarez (Name geändert), 58, begann vor 20 Jahren zu malen. Es entstehen wenige Bilder, „mehr sporadisch“, wie er sagt. Es folgt eine lange künstlerische Schaffenspause. Letzten Herbst kaufte er bei REWE spontan Papier und Faserstifte. Seitdem lässt ihn die Malerei nicht mehr los. Jeden Tag entsteht ein Bild – von 13:00 bis 15:00 Uhr. „Ich habe häufig Angst, sie hemmt mich, ich kann nichts mehr machen“. Francisco Alvarez schafft es, seine Ängste zu überwinden, zu den Stiften zu greifen und jeden Tag zwei Stunden künstlerisch zu arbeiten. „Wenn ich malen kann, bin ich weniger ängstlich“.

32 Bilder hat der Künstler gemeinsam mit seiner Ergotherapeutin ausgewählt, gerahmt und im Treppenhaus Nagel um Nagel aufgehängt. „Ich wollte schon immer im Treppenhaus Bilder aufhängen, nie hat es geklappt. Das Treppenhaus hat wohl auf den Künstler gewartet“, erzählt mit Begeisterung Britta Müller. Mehrmals täglich müssen Besucher und Mitarbeiter die Treppe laufen – zu Gruppenräumen und Büros in den beiden oberen beiden Etagen. Dabei war das Hängen der Bilder am stark frequentierten Ort eine Herausforderung. 32 Nägel in gleichen Abständen einzuschlagen, die Bilder stimmig anzuordnen – die Arbeit war auch mit vier Händen nicht an einem Tag zu bewältigen. Umso mehr sorgten die Vorbereitungen für Aufmerksamkeit: „Die vorbeilaufenden Menschen fanden die Bilder richtig schön, waren begeistert“, so die Ergotherapeutin. Die Bilder sind mittlerweile aus dem Treppenhaus nicht mehr wegzudenken und doch ist die Ausstellung eher aus Zufall entstanden berichtet Britta Müller: „Mehrmals täglich lief ich am Raum vorbei, in dem Herr Alvarez alleine malte. Die Tür zum Treppenhaus stand immer offen. Er strahlte dabei eine besondere Atmosphäre und Ruhe aus, die ich bewundernswert fand. Erst später realisierte ich, dass jeden Tag ein komplett neues Bild entstand und dann kam die Idee einer Ausstellung.“ 

Über dem Zwischenpodest wurden 16 Bilder quadratisch angeordnet, zu beiden Seiten an den Treppen jeweils acht. Die Bilder auf der Zwischenebene sind ein echter Hingucker, saugen die Augen des Betrachters in die farbenfrohe Bilderlandschaft hinein. Bis auf dem letzten Millimeter sind die Bilder ausgemalt, häufig im warmen Orange. „Das Orange kommt aus der Meditation, auch die buddhistischen Mönche tragen diese Farbe“, ergänzt der Maler Francisco Alvarez. Seit 1993 meditiert er täglich. Gerade Linien werden zu abstrakten geometrischen Formen, gerundete bilden überlappende Kreissegmente. Mal wirkt die Linienführung zittrig und unruhig, mal strahlt sie Sicherheit und Ruhe aus. Sie vermitteln Tiefe, Plastizität. Es ist beeindruckend, wie 16 kleine Bildgrößen im Format A4 das Treppenhaus breiter werden lassen, sich der Blick weitet.  

Anders die Bilder an den beidseitigen Treppenaufgängen. Bei den Kunstwerken in „gelb-rot-blau-grün“ bleibt der Hintergrund weiß. „Ich male auf zwei verschiedene Arten: einmal mit und einmal ohne Hintergrund“, erzählt der Faserstift-Künstler. Der Betrachter bekommt viel freie Fläche zu sehen, die Formen sind filigraner, kleinteiliger. Aus einem Zentrum entstehen vier nahezu symmetrische Felder, ähnlich Himmelsrichtungen. Der Mittelpunkt gibt den losen Elementen Halt – auch ohne direkte Verbindung. Dabei haben die Bilder etwas jugendhaftes, dynamisches, modernes. Lässt man sich auf sie ein, erzeugen sie eine große Ruhe, werden zu Mandalas. Alles ist in Bewegung und dennoch geordnet. Wie das sich Bewegen im Treppenhaus. Linie um Linie, Stufe um Stufe. 

Und der Künstler staunt: „Ich gehe täglich daran vorbei und frage mich immer noch, wer hat das gemacht, ich kann mich nicht erinnern?“. Er sagt es so nebenbei, mit einer wegwischenden Handbewegung, und blickt plötzlich auf, spricht mit hellen Augen: „Ich freue mich dabei, spüre Bewunderung“. 

Die Ausstellung kann bis Ende Oktober in der Luisenstraße 9 im Hinterhaus nach Absprache besichtigt werden. Bilder können gerne gegen eine kleine Spende an den Künstler erworben werden. Über ein Drittel der ausgestellten der Bilder sind bereits verkauft.

Kontakt: Britta Müller, T 069 800 824-40, Kontaktformular