Von Amharisch bis Kasachisch

Äthiopien, Bolivien, Kasachstan, Syrien – die Stiftung LEBENSRÄUME begleitet und fördert Menschen aus 37 Ländern und Sprachfamilien. Sozialarbeiter, Pädagogen und Psychologen kommen aus 19 Nationen und sprechen 16 Muttersprachen. LEBENSRÄUME hat das Titelthema Partnerstädte um eine internationale Betrachtung erweitert.

Seit 1982 unterstützt LEBENSRÄUME in der Region Offenbach junge Erwachsene und erwachsene Menschen jeden Lebensalters – unabhängig vom Grad der psychischen oder sozialen Beeinträchtigung, Herkunft und Sprache oder des sozialen Status. Psychische Erkrankungen betreffen alle, sie kennen keine Abgrenzung nach Staatszugehörigkeit, Geldbeutel, Sprache, kultureller und religiöser Identität. Die Sorge um hilfsbedürftige Menschen ist bei LEBENSRÄUME ein Abbild des Einwanderungslandes Deutschland. Ob Gastarbeiter der ersten Stunde, Zuwanderer aus wirtschaftlicher Not oder von Bürgerkrieg oder politischer Verfolgung geflüchtete Menschen – sozialpsychiatrische Versorgung zieht keine Grenze  zwischen Deutschen und Menschen nichtdeutscher Herkunft.

Psychiatrische Versorgung ist ein Abbild unserer Gesellschaft

Nach einer aktuellen Umfrage in den gemeindepsychiatrischen Zentren in Stadt und Kreis Offenbach und im Betrieb Gesundheitsdienste (Integrierte Versorgung Psychiatrie) bringen etwa 15% der betreuten Klienten einen Migrationshintergrund mit. In absoluten Zahlen sind es 127 Menschen von insgesamt rund 840 Klienten. Sie nutzen die psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen mit offenen Angeboten, den ambulanten Dienst Betreutes Wohnen, stationäre Hilfen zum Wohnen, das „Netzwerk psychische Gesundheit“ (NWpG) der TK und das Angebot „Seelische Gesundheit Leben“ (SeGeL) der Betriebskrankenkassen. Die Menschen kommen aus allen EU-Ländern, dem afrikanischen Kontinent, Nord- und Südamerika und aus Krisengebieten des nahen und fernen Ostens. Ihre Flucht- und Reisewege erstrecken sich von Afghanistan bis Bolivien, von Litauen bis Südafrika.
Am stärksten vertreten sind die Länder Türkei (21,4%), Italien (10,3%), Afghanistan (7,1%), Kroatien (6,3%) und Polen (5,5%). Am Ende der Liste befinden sich mit 0,79% die Herkunftsländer Bolivien, Kongo, Moldawien, Mosambik, Syrien und Venezuela. 

Das Personal spricht 16 Muttersprachen

Rund 10 % der Mitarbeiter haben ausländische Wurzeln bzw. einen Migrationshintergrund. Sie kommen aus 19 Ländern und sprechen 16 Sprachen. Neben den gängigen Fremdsprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Türkisch und Griechisch sprechen sie als Muttersprache Arabisch, Russisch, Kurdisch, Ghanaisch, Amharisch (Äthiopien), Tigrinisch (Eritrea), Rumänisch, Polnisch und Niederländisch. 
Vertreten sind die Sprachen in allen Arbeitsbereichen bei Fach- und Hilfskräften, das Personal ist kulturell wie sprachlich durchmischt. Das Arbeiten wird als „Miteinander ohne Vorbehalte“ beschrieben, der fachliche Austausch zwischen Kulturen und Sprachen als bereichernd empfunden.
Fremdheit und psychische Störungen

Zwei große Sorgen und Probleme, die Deutsche wie Nichtdeutsche umtreiben, scheinen die der Fremdheit einerseits und psychischen Störungen andererseits zu sein. Sie stehen zweifelsohne mit unseren „normalen“ Sorgen des menschlichen Daseins um existentielle Absicherung, dem Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit vor Willkür und Terror sowie dem gesundheitlichen Wohlbefinden in engem Zusammenhang.
Hier ist es gut, Ruhe und klaren Kopf zu bewahren und die Aufgaben gemeinsam ohne Ab- und Ausgrenzung anzupacken. Angst und Fremdheit können so überwunden, die Auswirkungen von psychischen Erkrankungen gelindert werden.

Sambosa-Teigtaschen und gefüllte Kafteri

Sehr beliebt bei Klienten und Mitarbeitern ist der internationale Speiseplan in den Kochküchen. Ob äthiopisches Rindergulasch mit herzhafter Würzung, marokkanische Kafteri mit Gorgonzola- oder Schafskäsecreme, afghanische Sambosa-Teigtaschen mit Lammhackfleisch und frischen Korianderzweigen oder Thaicurry mit tropischen Früchten und Jasminreis – der kulinarischen Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Besucher bringen ihre Rezepte in die Speiseplangestaltung ein, kaufen gemeinsam beim Pakistaner, Inder oder Türken, finden beim Kochen für Andere zu neuem Selbstbewusstsein.

Ein Klima von gegenseitiger Achtung und Unterstützung

Bunt gemischt ist auch die Fußballgruppe oder der Chor Klanggarten. Hier trainieren und singen Klienten und Mitarbeiter verschiedenster Nationen im Wochenrhythmus in Offenbach und Langen – Frauen und Männer. Auch der Club Distelgarten und die Offenen Treffs in Stadt und Kreis Offenbach mit Verabredungen zu Café-Besuchen und Ausflügen werden von Menschen unterschiedlichster Herkunft ohne Vorbehalte aufgesucht. Man tauscht sich aus, weiß um die Sorgen der Anderen, unterstützt sich gegenseitig und vermeidet es, sich das Leben schwerer zu machen als es mit Erkrankung ohnehin oftmals ist.
Die Arbeit bei LEBENSRÄUME ist von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung geprägt – unabhängig von Herkunft, Sprache und sozialen Status. Integration und Inklusion sind auf einem guten Weg.

Dieser Artikel wurde in der Zeitschrift "Mut  & Liebe"  20/2016 unter dem Titel "Von Amharisch bis Kasachisch"  abgedruckt.  Klicken Sie hier

Kontakt: Klaus-D. Liedke, T 069 83 83 16-20, Kontaktformular