Arbeitgebern Mut machen

Drei Frauen engagieren sich in Offenbach mit Herzblut im dreijährigen Projekt „All inklusiv“ für neue Arbeitsplätze von schwerbehinderten Menschen. 100  Stellen sollen geschaffen, 500 Arbeitgeber kontaktiert werden. Akzeptanz und Toleranz von Schwerbehinderten auf dem Arbeitsmarkt herzustellen ist ihr oberstes Ziel – Arbeitgeber sensibilisieren, überzeugen und zum Ausprobieren motivieren ihr täglicher Job. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) fördert das Projekt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe, Partner vor Ort sind die Agentur für Arbeit und die kommunalen Jobcenter MainArbeit und Pro Arbeit. Firmen erhalten alle Leistungen aus einer Hand – ein Gespräch mit den Expertinnen für Arbeitsintegration.

Seit 1. August 2015 ist Katja Apel, 42, im neuen Arbeitsmarktprojekt mitverantwortlich für die operative Ausführung bei Lebensräume. Bei dem Projekt sitzen alle Partner am Tisch, bündeln ihre Kompetenzen und sind miteinander verzahnt. „Die Zahnräder greifen ineinander“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin und Soziologin mit Magisterabschluss, die ihr Handwerk an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena erlernt hat: Arbeitsmarkt & Sozialstruktur sowie Sozialpädagogik – Punkt. Seit 2007 hat sie bei Lebensräume Arbeitsintegrationsprojekte in der Region „geschaukelt“. Der Erfolg wirkt nach: Katja Apel hat wesentlichen Anteil daran, dass die vier Partner in nur 6 Monaten mit „unterschiedlichen Regelwerken“ zusammengewachsen sind, sich in der operativen Projekt- und  Steuerungsgruppe gemeinsam für „All inklusiv“ stark machen. Stolz ist sie auch auf das Team, das auf Augenhöhe zusammenarbeitet und neben der Erfahrung „frischen Wind" mitbringe.  Katja Apel macht auch keinen Hehl daraus, dass sie für ihr Leben gern Auto fährt – seit 10 Jahren konsequent im Erdgasfahrzeug. Dazu hat sie täglich Gelegenheit: Sie pendelt von einem kleinen Dorf im Main-Kinzig-Kreis in die Großstadt. Den Ausgleich für den Trubel am Arbeitsplatz und in der Großstadt findet sie in der Zeit mit ihrer Familie.

Die drei Arbeitsexpertinnen sind bei der Lebensräume Rehabilitationsgesellschaft für die Projektumsetzung verantwortlich. Zu ihren Hauptaufgaben erwähnen sie: Informieren, Arbeitsmöglichkeiten aufzeigen, Kontakt zu Arbeitgebern herstellen, Vorurteile abbauen, Wege freimachen, beide Seiten zusammenbringen. „Der Fahrer ist der Kunde, er bestimmt den Weg, ich sitze im Beiwagen“, sagt Alice Duda, 27. Auch bei ihr rollen die Räder, sie pendelt täglich mit der S-Bahn von Mainz nach Offenbach, hat mit Langzeitarbeitslosen im Jobcenter erste Berufserfahrungen gesammelt. Die Johannes-Gutenberg Universität in Mainz legte dazu den Grundstein: Rassismus und Ausschlusskriterien in unserer Gesellschaft waren zwei entscheidende Themenfelder ihres Ethnologie- und Anthropologiestudiums, das sie ebenfalls mit einem Magister abschloss. Sie bewarb sich gezielt auf die ausgeschriebene Stelle in Offenbach und ist jetzt für drei Jahre dabei. Sie will mit dem Projekt nach oben – dafür trainiert sie auch privat: seit zwei Jahren klettert sie. Das sollte reichen: „Das Projekt soll keine Eintagsfliege bleiben“.

Das Frauentrio vervollständigt die 31-jährige Hanauerin Ulrike Bohn. Die junge Soziologin und Pädagogin mit Magisterabschluss steht ihren Kolleginnen in Ausbildung und Berufserfahrungen in nichts nach. Vier Jahre hat sie im Rehabereich in der Erwachsenenbildung Menschen mit Handicaps auf den Weg gebracht und dabei die Erfahrung gemacht, dass sie was können. „Ich möchte im Projekt ‚All inklusiv‘ den Arbeitgebern die Ressourcen der Menschen aufzeigen und mich für Akzeptanz und Toleranz von Schwerbehinderten am Arbeitsmarkt einsetzen – und Ausgrenzung abbauen.“ Sie spielt gerne Squash, mag Wandern und Skifahren, fährt Fahrrad. Auch sie möchte Arbeitgebern Mut zum Ausprobieren machen. „Von denen, die es bislang probiert haben, hat es keiner bereut.“

Die Frauen haben Spaß an der Verschiedenheit ihrer Kunden, schätzen deren Motivation und Qualifikation, freuen sich mit ihnen auch über kleine Fortschritte. Das wird im Gespräch spürbar, es fehlt an der Schwere, die man in der Arbeit mit Schwerbehinderten annehmen könnte. Dazu gibt es auch keinen Grund: das Projekt hat Fahrt aufgenommen, 100 Menschen nehmen bereits nach sechs Monaten teil, 9 wurden erfolgreich vermittelt, 12 weitere in einen qualifizierten Praktikumsplatz. Das ist eine Steilvorlage für das Projektziel. „Herz und Menschlichkeit“ sei gefragt, die Arbeitgeber müssten auf einer „persönlichen Ebene“ angesprochen werden: Gut hinhören, Bedenken und Vorurteile aufgreifen und im richtigen Moment Mut machen, über den eigenen Schatten zu springen und eine Beschäftigung auszuprobieren. Dabei immer authentisch bleiben. Ein Baumarktleiter hatte Sorge, dass sich der schwerbehinderte Mitarbeiter bei der Lagerarbeit verletzen könnte.  „Da können  Sie sich 100 % auf uns verlassen, wir schicken nur Arbeitsfähige“, berichtet Alice Duda von ihrem Telefongespräch.  Dieses Angebot wollte er dann doch nicht ausschlagen: „Kommen sie mit dem Kunden am Montag vorbei.“ Gesagt, getan. Nach einer viertägigen Arbeitserprobung folgte am Freitag der Arbeitsvertrag.

Das Projektteam hat für alles gut vorgesorgt und ein stabiles Fundament geschaffen: Strukturen für Organisation und Administration wurden aufgebaut, ein Statistikmodul entwickelt, Infoblätter erstellt und mit Infoveranstaltungen 60 Neukunden gewonnen. In den 6 Monaten haben sie auch die Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert:  Eine inklusive Website informiert über Projektinhalte und – erfahrungen, Plakate sensibilisieren Firmen, Flyer –zwei- und achtseitig¬– bringen die Leistungen „aus einer Hand“ einfach auf den Punkt. Drei Firmen konnten mit ihren Erfahrungen und schwerbehinderten Mitarbeitern aktiv für das Medienprojekt gewonnen werden.


Sie schaukeln All inklusiv: Alice Duda, Katja Apel und Ulrike Bohn (von links)

„Wir schaukeln das Ding“, sagt Alice Duda mit frischem Wind. Damit ist der Groschen für das Fotomotiv gefallen: die Tellerschaukel am Linsenberg im Offenbacher Büsingpark. Auch bei Regenwetter.

Dieser Artikel wurde in der Zeitschrift "Mut  & Liebe" 18/2016 zum Schwerpunktthema "Frauen in Offenbach" unter dem Titel "Arbeitgebern Mut machen" leicht gekürzt abgedruckt.  Klicken Sie hier:
Text und Bild: www.allemunde.de

Kontakt:
Katja Apel, T 069 80 10 18-226, Kontaktformular
Ulrike Bohn, T 069 80 10 18-217, Kontaktformular
Alice Duda, T  069 80 10 18-225, Kontaktformular