Das BTHG kann stark machen

Am 24. Juni 2019 veranstaltete die Stiftung LEBENSRÄUME im ostpol Gründercampus den 2. Fachtag zum Bundesteilhabegesetz (BTHG). Nach einjähriger Arbeit in interdisziplinären Arbeitsgruppen waren alle Mitarbeiter/innen eingeladen, sich über die Ergebnisse zu informieren und Handlungsansätze zu erproben. Mit der Tagesveranstaltung wurden die Mitarbeiter auf die 3. Reformstufe des BTHG ab 2020 vorbereitet. Die große Änderung ist die Trennung der Geldleistungen in Eingliederungshilfe (SGB IX) und existenzsichernde Leistungen (SGB XII). Der freie Wohlfahrtsträger LEBENSRÄUME erhält vom überörtlichen Leistungsträger, dem Landewohlfahrtsverband Hessen (LWV) zukünftig Entgelte für sogenannte einfache und qualifizierte Assistenzleistungen. Die Grundsicherung und Kosten für die Unterbringung (KdU) wird den Klienten von den Kommunen direkt ausbezahlt. 

Dem Fachtag gingen zwei halbtägige BTHG-Plenumstreffen mit dem Stiftungsvorstand voraus. Dabei wurden die in den Arbeitsgruppen erarbeiteten Erkenntnisse besprochen, daraus Thesen für die zukünftige Arbeit abgeleitet und empfohlene Umsetzungsschritte erörtert. Dem Stiftungsvorstand war es ein besonderes Anliegen, den Fachtag nicht nur zur Wissensvermittlung zu nutzen. Die Arbeitsgruppen waren dazu aufgerufen, ihre Arbeit mit unterschiedlichsten Methoden kreativ und lebendig zu präsentieren. Die teilnehmenden Mitarbeiter/innen konnten sich so aktiv einbringen und die anstehenden Veränderungen auch aus Sicht der Klienten erfahren. Für die Moderation wurde die ehemalige Skiweltmeisterin und jetzige Personal- und Organisationsentwicklerin Miriam Vogt gewonnen. Auf Seite der Klienten wurde die Handpuppe „Michaela Müller“ ins Boot geholt.

Im ostpol Gründercampus präsentierten sich die sechs Arbeitsgruppen als „Gastgeber“ an sechs Stationen ihren Kolleg/innen: die AGs Wohnen, Zugangswege, Betreuung, die Gruppe Beschäftigung und Arbeit. Auch die AG Qualität und die AG Administration. An jeder Station wurden am Vormittag drei Durchläufe im 45-Minuten-Rhythmus angeboten. Die Mitarbeiter/innen hatten ihren Interessen entsprechend die Möglichkeit, drei von sechs Stationen auszuprobieren. 

Die Arbeitsgruppe „Betreuung“ präsentierte die Bestandteile des Warenkorbes nach dem Regelsatz. Die Mitarbeiter bekamen einen leeren Eimer und mussten die dafür bestimmten Artikel nach bestimmen Warengruppen, wie zum Beispiel Artikel für die Körper- und Gesundheitspflege oder Hausverbrauchsmittel sammeln. Hier wurde deutlich, dass sich die Klienten zukünftig selbst aus ihrem Regelsatz dieser Aufgabe stellen und mit ihrem zur Verfügung stehenden Geld haushalten müssen. Auch sollte den Mitarbeitern bewusst gemacht werden, nicht einfach aus der LEBENSRÄUME-Kasse mal schnell das fehlende Toilettenpapier oder Spülmittel zu kaufen.

Am Stand der Arbeitsgruppe „Administration“ demonstrierte das zentrale Immobilien- Management mit bunten Schildern auf Kartons den LEBENSRÄUME-Leistungskatalog „Wohnen“. Sie visualisierten, aus welchen Bestandteilen sich eine Miete zusammensetzt. Die Handpuppe „Michaela Müller“ kommentierte als „Klientin. Die Gruppe achtete auf jeden Cent, der z.B. für Brandschutz, Ausstattung mit Haushaltsgeräten oder Telekommunikation anfallen darf und schärfte damit den Blick, aus welchen Bestandteilen sich Leistungen dieser Art zusammensetzen.

Die Meilensteine und zeitlichen Umsetzungsschritte  wurden mit Aufgabenblättern auf einem Zeitstrahl erarbeitet und somit anschaulich vermittelt.

Die AG Arbeit entwickelte ein Würfelspiel, bei dem verschiedene Fragen beantwortet werden mussten: Nenne jeweils drei Zugangsvoraussetzungen für Zuverdienst und Arbeitsgelegenheit?“ oder „Nenne drei Unterschiede zwischen Tagesstätte und WfBM? Auch „In welchen Betriebsteilen ist ein Praktikum möglich“ oder „An welcher Stelle könnte eine Befundung und ein Praktikum im Beratungsprozess stattfinden?“ 

Am Stand der AG „Zugangswege“ konnten die Mitarbeiter in unterschiedliche Rollen schlüpfen und mussten dazu ihren Standpunkt vertreten. Auf dem Boden lagen auf bunten Plakaten die Rollen Klient, Mitarbeiter/in einer Klinik, Gesetzlicher Betreuer, Sozialpsychiatrischer Dienst, Lebensräume, Angehöriger, Facharzt oder auch andere Anbieter.

Alle Arbeitsgruppen stellten ihre Ergebnisse den Mitarbeiter/innen interaktiv vor. Die Ergebnisse wurden am Nachmittag im Plenum präsentiert und diskutiert.
Der Fachtag war sehr bunt und ermöglichte neben allgemeinen auch LEBENSRÄUME-spezifische Einblicke in die Umsetzung des BTHG. Auch konnten viele Vorbehalte gegenüber dem Gesetz abgebaut werden. Insoweit wurde der Anspruch des BTHG aufgenommen, mehr Möglichkeiten zur Selbstbestimmung und das Wahl- und Wunschrecht der Klienten umzusetzen und sich vom  Ansatz der Fürsorgearbeit zu lösen. Den Mitarbeitern wurde dabei bewusst, dass das BTHG eben auch stark machen kann – Klienten und Fachkräfte. 

LEBENSRÄUME sieht sich mit Blick auf die Ergebnisse des Fachtages gut aufgestellt. Das „praktische Tun“ zur Umsetzung der 3. Reformstufe ist allen Mitarbeiter/innen durch eigenes Ausprobieren deutlich geworden. Noch offene Aufgaben werden in den Arbeitsgruppen bis Jahresende erledigt. LEBENSRÄUME hat zum BTHG eine Menge Ideen und die erforderlichen Kompetenzen. Das Sozialunternehmen geht gestärkt und mit Zuversicht ins Jahr 2020 – für mehr Selbstbestimmung und Teilhabe zum Nutzen der Klienten und der Gesellschaft in Stadt und Kreis Offenbach.

Auch beim 2. Fachtag sorgte ein Catering-Team von der Integrationsgesellschaft ESSwerk für erfrischende Getränke und schmackhafte Häppchen.

Ihre BTHG-Ansprechpartnerin bei LEBENSRÄUME
Mieke Steilberg, 069 838316-23, Mieke.Steilberg@lebmail.de 
Stiftung LEBENSRÄUME, Ludwigstraße 4, 63067 Offenbach