Gerne etwas zum Anfassen

Werbeartikel als kleine Aufmerksamkeiten in der Sozialpsychiatrie – Ein Gespräch mit Klaus-D. Liedke, Vorsitzender der Stiftung Lebensräume Offenbach am Main

Herr Liedke, warum produzieren Sie Werbeartikel für die Sozialpsychiatrie?

Psychosoziale Dienstleistungen lassen sich sehr schwer vermitteln, sie haben nichts Anfassbares. Sozialarbeit kann nur durch konkretes Tun erfahren werden. Das Haptische eines Werbeartikels, z.B. einer Pillendose mit Lebensräume-Aufkleber, soll das Anfassen verkörpern und im Erstkontakt mit betroffenen Menschen oder Geschäftspartnern das schwer Begreifbare optisch sichtbar und haptisch spürbar machen.

Welche Artikel produzieren Sie, wie werden sie eingesetzt? Was ist Ihnen dabei wichtig?

Kochschürzen und Mützen mit aufgesticktem Logo, Schlüsselanhänger aus wertigem Gewebe, eine Leichtmetall Schokoladendose mit Banderole und eingelegtem Leporello der Mitarbeiter, ein Buch mit Text-Bildreportagen aus dem Alltag unserer Kunden, nützliche Klebeblöcke, zuletzt eine Pillendose mit Beipackzettel, auf dem unsere Angebote beschrieben sind. Die 600 Döschen waren schnell vergriffen. Eingesetzt werden die Artikel als kleine Aufmerksamkeit zu Weihnachten bei Mitarbeitern und Kunden. Wichtig ist mir dabei, dass die Produkte einzigartig gestaltet sind – wir haben hier die renommierte HfG, die Hochschule für Gestaltung. Gestalterisch auch in dem Sinne, wie wir unsere Sozialarbeit mit Sorgfalt planen und gestaltend mit den Menschen im Alltag umsetzen. Kugelschreiber sind auch gut, hat aber jeder und aus diesem Grund nicht besonders geeignet.  

Kritiker sehen das Geld besser in der direkten Sozialarbeit beim Menschen aufgehoben. Was antworten Sie denen?

Die Gesamtkosten sind mit ca. € 10,00 pro Artikel gering. Insbesondere, wenn man sie in das Verhältnis der € 50T setzt, die ein Mitarbeiter jährlich dem Unternehmen kostet. Die Artikel liegen sichtbar in den Einrichtungen, Foyers und Besprechungsräumen, werden auch gezielt weitergegeben. Letzteres noch etwas verhalten. Der Sozialarbeiter fühlt sich mit dem Flyer sicherer, Werbeartikel sind noch ein ungewohntes Medium. Auch gerät man schnell in den Verdacht, dass man mit Geld um sich wirft. Das ist aber nicht so. Es ist mir immer wichtig, dass die Dinge weiterverwendet werden können: Die Schokoladendose für Stifte und USB-Stick, die Pillendose mit Tic tac für die eigenen Tabletten. Und der Beipackzettel erläutert auf originelle Weise die Anwendung mit erwünschten Wirkungen und Nebenwirkungen unserer Sozialarbeit. Der Nutzen ist also um ein Vielfaches höher als die Kosten. Auch darf es mal genussvoll sein – wie mit unserer Schokoladendose.

Was empfehlen Sie der Branche, wo soll die Reise hingehen?

Sozialarbeit wird nicht umworben, sie soll auch nicht im klassischen Marketingsinne beworben werden. Aber wie erreicht man mit Sozialarbeit gerade die Menschen, die sie am meisten brauchen? Wir sind als Branche in der Pflicht, für diese Menschen die größtmögliche Teilhabe am Leben in der Gesellschaft herzustellen: Wohnen, Arbeit, Freizeit, Kultur. Um das zu bewirken, müssen neben den Kunden auch Geschäftspartner wie Arbeitgeber und Wohnungseigentümer erreicht werden. Meine Erfahrung zeigt, dass Menschen gerne etwas zum Anfassen haben. Ein sinnvolles Social Marketing kann dazu beitragen, Normalität herzustellen, der Branche die Schwere zu nehmen, mit Farben und Formen etwas Spielerisches und damit Leichtigkeit in das Thema zu bringen. Ich möchte die Branche ermutigen, wertige Aufmerksamkeiten -kleine Give aways-, als Türöffner einzusetzen, als Gesprächsgegenstand zu nutzen – auch im Sinne der Imagepflege.

Social Marketing also ein Gebot der Stunde?

Unbedingt. Die Sozialarbeit muss ihr Image pflegen. Sie darf sich nicht abhängen lassen von der gesellschaftlichen Entwicklung. Wir müssen nach oben steuern, die Sozialarbeit als gesellschaftliches Bindeglied betrachten, sie muss nicht ausschließlich das Image der Kranken transportieren. Normalität herstellen und den anderen lassen wie er ist. Sich auch nicht abstempeln lassen, besser eigene Stempel entwickeln mit ansprechenden Websites und haptischen Werbeartikeln. Nicht kommerziell, aber als Marketingfan.

Dieser Artikel wurde in der Zeitschrift "Treffpunkte" 2/2016 unter dem Titel "Menschen haben gerne etwas zum Anfassen" veröffentlicht. Interview und Fotos: Johann Kneißl, www.allemunde.de

Kontakt: Klaus-D. Liedke, T 069 83 83 16-20, Kontaktformular