Mit Problemen nicht alleine

Gespräch mit Kursleiter Bernd Butzbach: Psychoedukationskurse entlasten Angehörige chronisch Erkrankter

Psychoedukationskurse sind heute wichtiger Bestandteil einer modernen psychiatrischen Behandlung. „Wissen ist Macht! Und die Voraussetzung für eine umfassende Teilhabe an den Errungenschaften unseres Wohlfahrtssystems ganz allgemein und der modernen Medizin im Speziellen!“, schreiben die Autoren J. Bäuml, S. Lüscher und G. Pitschel-Walz unter dem Titel „Was ich nicht weiß, macht mich nicht ‚weise‘…“ (Psychiatrische Praxis, 6/2015, S 293ff).

Dennoch sind sich die Fachleute über die Wirksamkeit von Psychoedukation uneins (Kurse verbesserten nur das Wissen über die Erkrankung, das Vulnerabilitäts-Stress-Modell manifestiere das  biologisch/genetische Krankheitsmodell und überhaupt sei sie nur eine Erziehungsmaßnahme zur Medikamenteneinnahme). Einig sind sie sich aber darüber, dass die Nachhaltigkeit von Psychoedukation wesentlich vom Einbezug der Angehörigen abhängt (Debatte Pro & Kontra, ebd. S. 296f).

 

Die Fachzeitschrift liegt auf dem Tisch. Bernd Butzbach kennt die Debatte und greift das Thema Nachhaltigkeit auf. Für ihn überwiegen nach über 20 Jahren Berufserfahrung in der Sozialpsychiatrie die Vorteile der Psychoedukation: „Psychose-Patienten haben mehr Lebensqualität, eine kürzere Behandlungsdauer in der Klinik und damit mehr Lebenszeit für sich, die sie nicht im Krankenhaus verbringen müssen.“

Diese Fakten haben ihn zur Zusatzausbildung „Psychoedukation bei Schizophrenie für Angehörige und Betroffene“ bei Dr. Matthias Bender, ärztlicher Direktor Vitos Hadamar und Hans Gunia, Psychologe in Darmstadt, motiviert. In Theorieeinheiten mit Rollenspielen hat er für sich „gedankliches Handwerkszeug“ für die Alltagsarbeit mitgenommen und dabei „das ganze Spektrum der Erkrankung –wie entsteht sie, was kann man im Alltag machen, was trägt zur Verbesserung, was zur Verschlechterung bei– erfahren. Eine „kompakte Zusammenfassung von Fachwissen und Berufsalltag“, umschreibt er die Kursinhalte und erläutert nebenbei das Synapsen-Modell der modernen Neurowissenschaft: „Eine verstärkte Ausschüttung von Dopamin führt zur erhöhten Informationsübertragung und Reizüberflutung im Gehirn. Das Psychose-Risiko nimmt zu. Medikamente dagegen steuern den Durchfluss im „synaptischen Spalt“ und tragen dazu bei, das Rückfallrisiko zu senken.“

Neben Kursthemen wie „Symptomatik und Diagnostik“, das „Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodel“, „Psychotherapie“ und „Psychosoziale Maßnahmen“ sind bei Angehörigen „Schuld und Scham“ wichtige Themen, erzählt Butzbach, auch das Erleben der Krankheit als Schicksal. Fragen wie „Was habe ich falsch gemacht, was versäumt?“ oder „Wie sage ich es meinem Nachbarn?“ quälten die Kursteilnehmer.

Wesentliche Aufgabe als Kursleiter ist für Butzbach, „ein Klima zu schaffen, in dem sich die Teilnehmer äußern und dabei erleben können, dass es anderen auch so geht.“ Wird z.B. das Thema Schuld erstmal ausgesprochen, wird schnell klar, dass es keine Schuldfrage ist, so Butzbach und fügt hinzu: „Das entlastet Angehörige ungemein.“

Die Kurse bieten keine Lösungen, helfen aber Angehörigen, Klarheit über ihr Verhalten zu erlangen und selbstbewusster zu werden. Auch dabei, ihre Rolle als Eltern, Partner oder Nachbar zu definieren: „Ich kann alles immer schlimm zu sehen, oder entspannt damit umzugehen. Ich kann der liebe Nachbar sein oder mich öffnen, wenn es für mich besser passt.“

Der Pädagoge erlebt, dass Psychoedukationskurse bei Betroffenen wie Angehörigen sehr begehrt sind. Rund zwei Monate dauert ein Kurs, der aus 8 Doppelstunden besteht. Jeweils drei hat Butzbach gemeinsam mit einer Ärztin im Sana Klinikum Offenbach erfolgreich durchgeführt. 8 bis 20 Personen saßen in den Gruppen. Nach Butzbach wissen die Teilnehmer die kompakte Wissensvermittlung über die Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten – medizinisch, psychotherapeutisch und psychosozial– sehr zu schätzen. Als besonders hilfreich wird aber die emotionale Entlastung erlebt. „Die Angehörigen äußern große Dankbarkeit und erzählen, durch den Kurs mehr Wissen über die Erkrankung zu haben, vieles besser einordnen zu können und über Hilfsangebote Bescheid zu wissen.“

Bernd Butzbach, 55, Dipl. Pädagoge, arbeitet seit 1995 bei der Stiftung Lebensräume Offenbach im Betreuten Wohnen und in der Wohnheimbetreuung. In Kooperation mit dem Sana Klinikum bietet er Psychoedukationskurse für Betroffene und Angehörige in Kooperation mit Fachärzten an.

Dieser Artikel wurde in der Zeitschrift "Treffpunkte" 1/2016 zum Schwerpunkt "Immer im Dienst - Angehörige psychisch Kranker" unter dem Titel "Ich bin mit meinen Problemen nicht alleine" veröffentlicht. Text und Bild: www.allemunde.de

Kontakt: Bernd Butzbach, T 069 8383 92-11, Kontaktformular