„Quasi-Qi Gong“ macht Spaß und sorgt für ein gutes Körpergefühl

Kunterbunt laufen 26 Menschen auf blauen Matten durch das großzügige Shinson-Hapkido-Studio, atmen dabei locker durch. „Jetzt schneller, dabei leicht lächeln, aufeinander zulaufen und seitlich ausweichen“, ruft der Kursleiter in den Raum. Alle sind flott auf ihren Socken unterwegs, einige barfuß. „Jetzt auf den Partner zulaufen, am Arm einhängen und einmal miteinander im Kreis drehen“.
Ein 10-teiliges Gesundheitsaufbautraining nach Qi Gong besuchen seit letzten Herbst  Menschen mit psychischen Erkrankungen aus fünf LEBENSRÄUME Tagesstätten in Stadt und Kreis Offenbach. Mit lebendigen Bewegungs-, Konzentrations- und Partnerübungen lernen die Kursteilnehmer dabei, negative Gedanken loszulassen sowie Ängste und Kontaktschwierigkeiten zu überwinden. Erste Erfahrungen zeigen, dass sie dabei ihre Körper lebendiger wahrnehmen und entspannter miteinander umgehen können. Im Februar 2015 startete der zweite Kurs in Offenbach-Bieber.


„Wir machen hier keine trockene Hausfrauengymnastik“, erzählt nach der Kursstunde Helma Josef (alle Teilnehmernamen geändert). Sie ist mit ihren 77 Jahren die älteste Teilnehmerin. „Nach dem Training bin ich nicht mehr so in mich gekehrt, fühle mich freier, lebhafter und mein Gleichgewicht ist besser. Qi Gong macht Spaß und hält fit.“ Auch Sonja Kern ist gerne dabei: „Meine Beweglichkeit ist besser geworden. Die Partnerübungen mit Rücken abklopfen und massieren machen Spaß.“ Für Kursleiter Armin Schippling stehen Freude, Spaß und das Zusammensein an erster Stelle. Jeder ist okay, so wie er ist, nichts ist falsch, was gemacht wird.“
Sind die Teilnehmer „aufgewärmt“, stehen Atem-, Dehnungs- und Streckübungen auf dem Programm. Tief ein- und ausatmen, Arme anheben und senken, seitlich zur Decke strecken. Kopf- und Schultern kreisen. Dann wieder die gestreckten Arme nach vorne führen, zur Decke. „Energietraining“ ruft der Kursleiter. Wichtig ist die „persönliche Klopfmassage“: auf die eigenen Schultern klopfen hebt das Selbstwertgefühl. Nach den Einzelübungen wird wieder durch den Raum gegangen, sich mit verschränkten Armen vor dem Partner verneigt, Wertschätzung und Respekt geübt. „Bist ein toller Mensch.“ Alle machen mit. Selbst zurückhaltende Kursteilnehmer nehmen Kontakt auf, beteiligen sich an den Partnerübungen mit Schulter und Rücken abklopfen im Stehen, später wird um den gebeugten Rücken des Partners klopfend im Kreis gelaufen.
Mitarbeiterin Lisette Lisiecki aus Obertshausen erwähnt, dass ein „professioneller Ort“ außerhalb der Tagesstätte wichtig ist. „Loslassen können und sich auf Partnerübungen einlassen gehen dann leichter.“ Der Ortswechsel hat einen doppelten Effekt: So trauen sich die Menschen außerhalb ihrer Tagesstätten mehr zu, sind gelassener, offener. Kommen sie in ihre gewohnte Umgebung zurück, wagen sie es, Erlerntes auszuprobieren. „In der Theatergruppe brachten Teilnehmer zwischen den Proben als Entspannungs- und Lockerungsübungen das gegenseitige Abklopfen von Schultern und Rücken sowie Massageübungen ein“, erzählt begeistert die Soziologin.
Heike Kaas, Mitarbeiterin der Tagesstätte in Langen berichtet, dass die Besucher nach den erfolgreichen Trommelworkshops den Wunsch nach Qi Gong eingebracht haben. Die Körperwahrnehmung sollte trainiert und neue Bewegungsformen kennengelernt werden. Die Suche nach einem geeigneten Kursleiter sei schwierig gewesen, die Entscheidung schließlich für das Shinson-Hapkido-Studio in der Seligenstädter Straße 107 in Offenbach-Bieber gefallen. „Der Kursleiter kann die Leute aus sich herausholen und schafft es, verschlossene Menschen zu öffnen.“ Heike Kaas nennt das 10-teilige Gesundheitsaufbautraining „Quasi-Qi Gong“. Den Teilnehmern macht es Spaß, die Kurse jeden Dienstag um 10:00 Uhr sind bis auf den letzten Platz belegt.
Kontakt: Britta Müller, Lebensräume Tagesstätte, Luisenstraße 9, 63067 Offenbach, Tel 069 800 824-40 oder Britta.Mueller@lebmail.de
www.lebsite.de
www.shinsonhapkido-of.de


Das QI Gong Übungssystem ist eine von fünf Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Qi (Energie) und Gong (Übung) ermöglicht eine umfassende Wahrnehmung aller menschlichen Bereiche wie Körper, Geist und Seele. Qi Gong kann alters- und krankheitsunabhängig geübt werden. Menschen mit psychischen Erkrankungen leiden verstärkt unter einer gestörten Körperwahrnehmung und inneren Verspannungen. Sie haben Ängste und Schwierigkeiten im Sozialkontakt. Im Kurs erlernen sie einfache Bewegungs- und Koordinationsübungen, mit denen sie ihren Körper besser wahrnehmen, innere Spannungen abbauen und dabei Spaß und Freude mit dem eigenen Körper erfahren können. Das einstündige Kursprogramm ist mit einfachen Übungen im Stehen und Gehen sowie kleinen Massagegriffen einfach zu verstehen und gezielt für unser westliches Bewegungsverständnis aufgebaut. Alle Übungen können zuhause beim  Fernsehen, Müll raustragen oder beim Treppensteigen in den Alltag integriert werden.  

Dieser Artikel wurde in der Zeitschrift "Treffpunkte" 2/2015 abgedruckt. Text: www.allemunde.de

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